Genderfragen – ein Arbeitsbericht

Und ja, der Autor ist ein biologischer, weißer Mann

Eine Ausstellung zu planen, Sammlungen anzuschreiben und Objekte zu akquirieren, ist kompliziert genug. Doch Texte darüber zu schreiben ebenfalls. Welchen Ton darf ich bei einem Blog treffen, was sollte ich besser für einen Zeitungsartikel umformulieren? Darf ich das schriftliche Interview der Kuratorin so online stellen? Wie nenne ich dann diese Rubrik? Bei einem Interview relativ simpel: „Interview mit der Kuratorin der Anatomischen Sammlung“. Wenn es nur Frauen sind, auch: „Interviews mit Kuratorinnen verschiedener Sammlungen“.
Nun besitzen wir aber Interviews sowohl von Frauen als auch von Männern. „Interviews mit Kuratorinnen und Kuratoren“? Ist eine Aufzählung, in der die Frau zuerst genannt wird, nicht eigentlich chauvinistisch, weil es dann ja „Ladies first“ ist? Gut, dann nicht. „Interviews mit Kuratoren und Kuratorinnen“? Das ist ähnlich lang und klingt außerdem etwas unmelodisch. „Interviews mit Kurator_innen“? Sieht irgendwie nach einer Runde Glücksrad aus: Ich kaufe ein E und möchte lösen: Keine gute Variante. OK, das Binnen-I hat sich ja bewährt: „Interviews mit KuratorInnen“. Irgendwie auch unschön und erweckt den Eindruck beim Lesen, dass keine Männer dabei gewesen sind. „Interviews mit Kurator*innen“? wäre nun erst einmal die aktuellste Lösung, aber ebenfalls im Fließtext störend. Ganz progressive Kräfte würden nun wohl „Interviews mit Kuratorx“ schreiben. Das „x“ als die inklusivistische ‚Endlösung‘ aller Genderfragen. War Kuratorx nicht ein Dinosaurier?
Wie lösen denn öffentliche Institutionen dieses Sprachproblem? Aus dem einstigen „Studentenwerk“ wurde das „Studierendenwerk“. Probieren wir es doch einmal aus: Kurator -> Verbform: kuratieren -> Kuratierende. Das macht dann „Interviews mit Kuratierenden“. Hilfe! Bin generell schon gegen Partizipialformulierungen, genau genommen Substantivierungen vom Partizip Präsens, aber das ist KuratierENDE. Idee verworfen.

Was also tun?

Bestandsaufnahme: Wir haben zwei Vitrinen, die eine thematisiert das private und die andere das museale – also öffentliche – Sammeln. Die typisch-traditionellen Genderräume sind bekanntlich ‚Mann – öffentlich‘ und ‚Frau – privat‘. Man könnte ja die Räume vertauschen, deutlich machen, dass sowohl die Frau im öffentlichen Raum ihren Platz hat als auch der Mann im Haus verweilen darf: Wir benutzen daher in unserer Ausstellung in der UB Heidelberg ganz bewusst im musealen Kontext die weibliche und im Privaten die männliche Form und sprechen in den Vitrinen von „Kuratorinnen“ und „Jägern und Sammlern“. Klingt gut, wird genommen. Endlich können wir uns den kleineren Problemen zuwenden: Woher bekommen wir eigentlich unsere auszustellenden Objekte?

Henning Jansen